LIGHT PATH
Zur Präsentation spricht Barbara Pflanzner
Das Licht in seiner elementarsten Form in Verbindung mit dem (urbanen wie privaten) Raum ist ein Thema, das den Künstler Friedrich Biedermann seit je her interessiert. In seinen Arbeiten greift der Bildhauer und Medienkünstler oft auf Dinge und Materialien zurück, die den BetrachterInnen vertraut erscheinen, um damit Neues sichtbar zu machen. Begriffe wie Kommunikation, Repräsentation und Performanz sind Biedermanns Arbeiten ebenso eingeschrieben, wie ihre Kopplung an die Wahrnehmung der BetrachterInnen.
Die aktuellste Arbeit Light Path (2016) ist eine mobile Lichtinstallation, die in den Laderaum eines LKWs eingebaut ist. Ist die Laderampe des LKWs geöffnet, ist das Publikum eingeladen die Installation zu betreten. Blickt man von außen auf den Frachtraum, erinnert dessen Vorderansicht an die Blende einer Fotokamera – ein Verweis auf die Fotografie als Metapher für die menschliche Wahrnehmung und für die Herstellung von Bildern. Durch die »gedrehte Form« gewinnt der Raum an Komplexität, was zudem durch eine Projektionsfolie an den Wänden sowie einen Spiegel an der Rückseite des Raumes verstärkt wird. Mit Hilfe nicht sichtbarer Lumitech-LEDs imitiert die Installation das natürliche Licht in seinem realen Verlauf, komprimiert auf eine Minute. Dem Verlauf des Lichts entsprechend schrieb Biedermann eine Partitur, die der österreichischen Band Sofa Surfers als Vorlage für einen eigens für Light Path komponierten Soundtrack diente, der analog zum Lichtverlauf abgespielt wird. Je nachdem, wann der Raum betreten wird, umgibt ihn denn auch eine andere Aura: manchmal erscheint er dunkel, mal grell, mal sanft, mal ist zum Zeitpunkt des Eintretens die Stimmung des Sonnenaufgangs sichtbar, mal das Licht der Abenddämmerung.
Light Path setzt dort an, wo Kunst nicht oder nur bedingt präsent ist. Biedermann macht mit seinem LKW Halt, wo immer er will: an verschiedenen Orten im Stadtraum – an belebten Straßenecken oder gut besuchten Hotspots – wie auch an Nicht-Orten wie Parkplätzen oder Raststätten an Autobahnen. Es ist die Idee eines von Grund auf demokratischen Kunstbegriffes, nämlich Kunst den Leuten näher zu bringen, auch jenen, die normalerweise nie mit Kunst in Berührung kommen oder kommen wollen. Mit der Arbeit verweigert sich Friedrich Biedermann der üblichen Ausstellungspraxis, die in der Regel mit der Auswahl durch einen Kurator/einer Kuratorin beginnt und die auf ein zumeist einschlägiges Kunstpublikum ausgerichtet ist. Die Arbeit zielt vielmehr auf ein breites Publikum ab, sie will weg vom engen institutionellen Rahmen eines üblichen Kunstkontexts. Da Light Path zu jeder Tages- und Nachtzeit präsentiert werden kann, wird außerdem die konventionelle Ausstellungszeit negiert. Abgesehen vom Umgehen der institutionellen Regeln der Kunstpräsentation missachtet Biedermanns Arbeit auch die Parameter der Natur, denen Lichtarbeiten normalerweise unterliegen: denn eigentlich bilden Tag und Nacht mit ihren zyklischen Abfolgen von Helligkeit und Dunkelheit die Rahmenbedingungen, welche die visuelle Intensität solcher Arbeiten bestimmen. Da Light Path aber erstens den »Präsentationsraum« selbst mitbringt und zweitens jederzeit präsentiert werden kann, ist auch dieser Aspekt elegant außen vor gelassen.
Interessant wird die Arbeit letztlich auch dadurch, dass mit dem vordergründigen Spektakel einer Präsentation in einem LKW, der mit seinen mehreren Metern Länge und seiner breiten Seitenaufschrift durchaus pompös daherkommt, eine Tarnung einhergeht: denn dem »wuchtigen« Auftritt steht das ephemere, angenehme Licht im Inneren wie auch die kontemplative Stimmung, die es hervorruft, gegenüber. Es ist eine Kunst der Präsenz, was bedeutet, dass sie ihre Wirkung erst zur Gänze entfalten kann, wenn ihr/e BetrachterIn erlebt, wie das Licht den Raum erfüllt und in ihm widerstrahlt. Light Path ist letztendlich auch eine Arbeit, die sich durch ihre Beziehung zum Licht des umgebenden Außenraumes definiert beziehungsweise umgekehrt von diesem definiert wird. Damit geht jedoch ein subtiles Täuschungsmanöver einher, denn in Light Path wird eine Natur vermittelt, die zur Technologie geworden ist.
In der wechselseitigen Bezugnahme der Räume greift Biedermann auf die Überlegungen des Soziologen und Philosophen Henri Lefèbvre zurück, der in seinem Aufsatz »Die Produktion des Raumes« (1974) drei, in dynamischer Beziehung stehende Kategorien, miteinander verknüpft: den wahrgenommenen Raum (wie er kognitiv entwickelt wird), den konzipierten Raum (womit Lefèbvre komplexe Symbolisierungen und Imaginationsräume meint) und den gelebten Raum (wie er im Alltag reproduziert wird). »Raum« wird hier als sozial produziertes Phänomen begriffen, das sich zu gleichen Teilen daraus ergibt, wie Menschen Raum wahrnehmen, wie sie ihn konzeptuell verarbeiten und wie sie ihn in ihrer alltäglichen Praxis erleben und produzieren. Umgelegt auf Light Path ergäbe das den realen (Natur-)Raum, den ihn imitierenden Raum im LKW und schließlich jenen »Raum«, der von den BetrachterInnen sensuell wahrgenommen wird.
Eigens für eine Präsentation auf dem Festival Luminale 2016 in Frankfurt konzipiert, ist auch der Anfahrtsweg zur Messe Teil des Konzepts. Dieser nahm seinen Anfang in den frühen Morgenstunden bei Sonnenaufgang in Jennersdorf/Österreich und endet nach einigen Zwischenstopps in Städten, die auf dem Weg lagen, schließlich bei Sonnenuntergang in Frankfurt am Main. Eine Fotostrecke dokumentiert Light Path zu den unterschiedlichen Tageszeiten und zeigt die Lichtinstallation in all ihren Facetten. Die Arbeit wird in Zukunft noch an mehreren Orten in Österreich wie auch in Deutschland und der Schweiz zu sehen sein.
Barbara Pflanzner
Weitere Stationen 2016:
20. April München
21. April Zürich
22. April Innsbruck
23. April Wörgl
26. April Lindau
27. April Stuttgart
28. April Nördlingen
2. Mai Hamburg
3. Mai Köln
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